Wie ist denn das jetzt in den Kursen? Wie läuft das? Bekommen wir da genaue Übungen? Muss mein Pferd reitbar sein? Was lernt man denn da?
Derartige Fragen sind nicht leicht zu beantworten, wenn man ein solch vielschichtiges Programm fährt, in dem auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig gearbeitet wird. Deshalb versuche ich es mit meinem Lieblingsbeispiel:
Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, sieht jedes Problem aus wie ein Nagel.
Sobald wir davon ausgehen, dass es nicht nur Nägel gibt, um etwas dauerhaft zu befestigen, sondern auch Schrauben, kommen wir mit dem Hammer nicht wirklich weiter. Es ist zwar möglich, eine Schraube mit dem Hammer in (der Einfachheit halber) z. B. einen Holzbalken zu dreschen, aber nicht übermäßig effizient.
Den ersten Theoriepart könnt ihr euch so vorstellen, dass ihr erzählt bekommt, dass es Schrauben gibt und außer dem Hammer auch noch Schraubenzieher und Akkuschrauber.
Damit jetzt nicht alle freudig aus dem ersten Meeting nach Hause laufen und mit einem Akkuschrauber auf die Schrauben eindreschen, gehören in den Theorieunterricht auch die Funktionsweise eines Akkuschraubers und das Verhalten einer Schraube.
Bei den ersten eigenen Versuchen mit dem Akkuschrauber gibt es dennoch viele Möglichkeiten, wie es nicht so recht funktioniert. Und da kommt das Arbeitsbuch ins Spiel.
Dort können alle ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Fragen formulieren, wodurch ich sehen kann, wer was wie verstanden hat. Versucht da gerade jemand, mit dem leeren Akku zu arbeiten und benutzt den Schrauber als Schraubenzieher? Oh, da dreht gerade jemand falsch herum. Und da, bei dem geliehenen Akkuschrauber sind die Bits rundgenudelt, da müsstest du neue besorgen. Pass auf, wenn du dein Turbomodell auf volle Power stellst, brauchst du beide Hände, damit es dir nicht das Handgelenk verdreht. Ups, da war wohl ein alter Nagel im Balken und hat die Schraube abgelenkt. Ja, Akkuschrauber landen bei ausreichender Fallhöhe immer auf dem Akku. Wenn es qualmt, war der Balken zu hart, die Schraube zu groß und der Schrauber zu schwach.
Ohne Arbeitsbuch würdet ihr bis zum nächsten Meeting mit eurem Problem weiterwursteln. Ihr würdet euch auf die Suche nach Schrauben mit Linksgewinde machen, euch Handschuhe zulegen, damit ihr vom Drehen des leeren Schraubers keine Blasen an den Händen bekommt. Ihr könntet mit mehr Druck arbeiten, um den abgenutzten Bit doch noch zum Greifen zu bringen, und ihr könntet euch ein paar Nägel kaufen und den Akkuschrauber wieder als Hammer verwenden, weil das ja alles nicht funktioniert.
Im Arbeitsbuch seht ihr, welche Schwierigkeiten und Lösungen die anderen beschreiben, das erweitert den Horizont. Wenn ich dann lese, wo es hängt, kann ich das Problem benennen und eine Lösungsmöglichkeit vorschlagen. Euer Part ist dann, das so auszuprobieren und Rückmeldung zu geben, ob und wie es funktioniert hat. Ich erkenne aus eurer Beschreibung und dem Ergebnis eures Versuches, ob das Problem wirklich gelöst ist, oder ob ihr nur einen neuen bunten Akkuschrauber mit dem gleichen ollen Bit verwendet.
Gleichzeitig lernt ihr, Projekte passend zu euren Möglichkeiten und denen eurer Pferde zu gestalten. Ihr übt, euch erreichbare Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen.
Was erwiesenermaßen keinen Erfolg bringt, ist, dauerhaft Gründe zu finden, warum etwas wahrscheinlich nicht funktionieren wird - ohne es wirklich auszuprobieren.
In den Kursen gibt es natürlich einiges an Theorie, je nach Thema unterschiedlich viel. Diese Theorie erklärt euch nun nicht, wie man einen Akkuschrauber baut, sondern wie ein Akkuschrauber funktioniert und wie man ihn effizient nutzt. Ihr lernt, wie man den Akku einsetzt und Bits austauscht. Ihr lernt nicht, einem Akkuschrauber zu erzählen, wie er zu funktionieren hat.
Warum nun dieses Beispiel?
Wenn man sich ernsthaft mit wissenschaftlicher Fragestellung auseinandersetzt, wird ziemlich schnell klar, dass es in Zusammenhang mit Pferden, ihrer Anatomie, ihren Möglichkeiten und ihren Pathologien vor allem unglaublich vieles gibt, was wir nicht wissen oder was wir nicht genau erklären können. Genau genommen gibt es mehr Fragen als Antworten. Dafür gibt es wiederum zahlreiche Gründe, aber die wesentliche Erkenntnis ist für mich die, dass wir es mit einer Art Blackbox zu tun haben. Am einen Ende geht etwas hinein, am anderen kommt etwas heraus und dazwischen ist ziemlich viel terra incognita.
Natürlich kennen wir die meisten Teile im Inneren der Blackbox. Und es gibt sehr viele Theorien darüber, was da im Inneren geschieht. Aber der Pferdekörper ist so komplex, dass man wesentliche Dinge aus dem Blick verliert, sobald man sich auf einen Aspekt konzentriert oder gar versucht, alle Teile in jedem Moment zu kontrollieren. Am besten kommt man mit der Blackbox klar, wenn man die Eingaben variiert und sich so an das gewünschte Ergebnis heranarbeitet. Die genauen Prozesse innerhalb der Box entziehen sich unserer Kontrolle.
Aber es gibt Prinzipien, an die man sich halten kann. Und so ist das dann in den Kursen. Ihr lernt die Prinzipien kennen und verstehen. Bekommt Aufgaben. Und eure Pferde müssen nicht reitbar sein, aber eine Trainings- oder zumindest eine Flott-spaziergeh-Freigabe vom Tierarzt haben. Und dann lernt ihr. Gemeinsam.
Was es da noch so alles zu lernen gibt, könnt ihr in den anderen Blogposts nachlesen, in denen Kursteilnehmerinnen für euch ihre Geschichten erzählt haben.