Dies ist eine weitere mutmachende Ponygeschichte zum Thema ECVM. Zum Abschluss des ECVM- Kurses April 24 schrieb Verena uns diese schöne Rückmeldung:
“Liebe Maren, liebe Saskia, auch ich möchte mich nochmal ganz herzlich bei Euch bedanken. Ich bin nun heute (29.07., am Ende des ECVM-Kurses) tatsächlich nach mehr als 3,5 Jahren das erste Mal wieder auf Jolie gestiegen und bin mit ihr in schönem Vorwärtszug ein paar Runden über den Reitplatz getrabt.
Noch vor 3 Monaten war dies für mich undenkbar und ich hatte mit dem Thema "Jolie als Reitpferd” bereits völlig abgeschlossen. Danke, dass ihr mir all die Inspirationen gegeben habt und ganz besonders für den Hinweis, dass man den richtigen Moment auch verpassen kann. Am Ende hat mich meine Sorge genau davor doch aufs Pferd gezogen und siehe da, es war toll. Jolie hat es sichtlich auch genossen.
Ich sehe nun positiv in die Zukunft, habe mir das Ziel gesetzt, wieder ins Gelände zu reiten und bin zuversichtlich. Für mich war der Kurs mit den rein technischen Inhalten schon sehr hilfreich, aber die psychologische Komponente und zu sehen, was bei den anderen Teilnehmerinnen los ist, hat das Ganze nochmal potenziert.
Eure Arbeit ist Gold wert, ganz besonders für Leute wie mich mit einer wandelnden Baustelle, die man anscheinend ja mit den richtigen Mitteln doch in den Griff bekommen kann. Ich wünsche mir, dass ihr es schafft noch vielen Pferd-Mensch-Diaden diesen neuen Mut zu geben. 1000 Mal Danke!!!!”
Über diese Worte haben wir uns sehr gefreut, aber es blieben Fragen offen. Ich wollte wissen, wie es denn nun weitergegangen ist, und euch fehlt die Vorgeschichte. Deshalb hat Verena nun den vollständigen Werdegang aufgeschrieben:
“Es ist nun mehr als 14 Jahre her, dass ich nach meiner FN-geprägten Jugend beschloss, Pferde niemals wieder so zu quälen, wie ich es über Jahre gelernt hatte. So kaufte ich mir die 2,5 Jährige rohe Trakehner-Halbblutstute Jolie und wollte diesmal alles richtig machen.
Ich ritt Jolie zusammen mit meiner Reitlehrerin gemäß Horsemanship und Légèreté ein. Im Vergleich zum FN-Reiten fühlte sich diese Art zu Reiten himmlisch leicht an, denn ich schaffte es, dieses hochsensible temperamentvolle Wesen so weit herunterzuregulieren, dass es sich für mich gut und sicher anfühlte. Ich legte natürlich auch Wert auf die beste Haltung, die ich finden konnte und stellte meine Stute in Paddocktrails ein, damit sie sich ausreichend bewegen und ihre überschüssige Energie loswerden konnte.
Trotz aller Bemühungen begannen die Schwierigkeiten.
Im Reitunterricht rollte sich meine Stute trotz minimalem Zügelkontakt ein. Körperlich zeigte sich irgendwann ein Bump am ISG und erforderte regelmäßige osteopathische Behandlungen. Mir wurde gesagt, dass sei bei Trakehnern häufig eine Schwachstelle, also normal.
Jolie ließ sich reiten, wurde aber beim Satteln sehr empfindlich. Als ich mir dann einen neuen Sattel kaufte, habe ich wirklich alle Modelle ausprobiert, die die Sattlerin hatte, aber es war keiner dabei, bei dem sie nicht die Krise bekam. Es endete damit, dass ich mit der Sattlerin zusammen einen neuen Prototyp für einen Sattelhersteller entwickelte. Dieser eine Sattel war erträglich für Jolie, begeistert war sie trotzdem nicht. Sie ließ mich gewähren.
Mit der Zeit kamen Magenprobleme hinzu, und irgendwie stand sie "komisch" da, wurde mir gesagt... Und dann "plötzlich", für mich damals völlig überraschend, fing sie an zu lahmen.
Im Oktober 2021 wurde der erste Fesselträgerschaden HR diagnostiziert. Jolie bekam drei Monate Pause, in denen sie weiter auf dem Trail laufen durfte. Danach war sie wieder lahmfrei.
Im Januar 2022 kam dann der zweite Fesselträgerschaden HL, diesmal so massiv, dass Boxenruhe verordnet wurde. Vier Monate stand sie herum und durfte sich nur im Schritt auf hartem Boden an der Hand bewegen, ein Horror für ein Lauftier, aber sie ertrug es mit Fassung.
Dann war sie wieder lahmfrei. Aber nun stand ich da mit einem Pferd, das an beiden Hinterbeinen Fesselträgerbefunde hatte und fragte mich, wie ich jetzt bitte weiter machen sollte. Die Aussage der Tierärzte, ich könnte dann wieder loslegen, erst longieren und dann reiten, kam mir absolut sinnbefreit vor. Es war ja schon mal schief gegangen. Da hörte ich etwas von Trageerschöpfung und versuchte mein Glück mit einem Aufbautraining am Boden gemäß der Bewegungsosteopathie. Ich hatte den Eindruck, dass sie langsam wieder Kraft gewann, aber dann im November 2022, war sie wieder lahm. Dieses Experiment war also auch gescheitert.
So langsam wusste ich nicht mehr ein noch aus.
Zudem baute sie immer mehr ab, die Magenprobleme wurden immer schlimmer und es gipfelte im plötzlichen völligen Muskelabbau. Mein sonst so energiegeladenes Pferd kroch nur noch mit am Boden hängendem Kopf über den Trail und sah aus als wäre sie plötzlich mindestens 10 Jahre gealtert, sie musste unendliche Schmerzen haben. Das war der Moment, in dem ich mich tatsächlich fragte, ob ihr Ende mit 15 Jahren gekommen war.
Aber ich war nicht bereit aufzugeben und fing an, alle möglichen Diagnostiken zu machen, so kamen wir zur Diagnose MIM 3-fachträger, was mir die Möglichkeit gab, ihr zumindest mit einer Futterumstellung zu helfen. Jolies Körper gewann langsam wieder an Energie, aber die Lahmheit war weiterhin da.
So kam im Mai 2023 der nächste Tierarzt und brachte mir den Schock meines Lebens mit der Diagnose ECVM: unvollständige Lamina an C6, massive Zubildungen an C7 und Fascettengelenksarthrosen, alles beidseitig und 1. Rippen nur rudimentär vorhanden. Schlimmer ging es nicht mehr, denn das ist so ziemlich der schwerstmögliche ECVM-Befund. Zusätzlich wurden Entzündungen in den Sprunggelenken und im ISG diagnostiziert.
Jolie wurde mit Cortison an den Facetten- und Sprunggelenken behandelt. Dies schien ihr zwar die Schmerzen zu nehmen, führte aber dazu, dass sie völlig instabil wurde. Sie wankte nur noch über den Trail , als könne der nächste Windstoß sie umpusten.
Auch diese Diagnose wollte ich nicht kampflos hinnehmen und suchte weiter nach Möglichkeiten, ihr zu helfen. Vor allem suchte ich nach Trainingsmöglichkeiten, denn ich musste Jolie irgendwie wieder stabilisieren. Über Internet und Instagram gelangte ich also zum Faszientraining nach Grünbeck und bestellte mir eine Trainerin, die mir eine Einweisung in die Arbeit mit dem Faszienrad gab. Das zeigte tatsächlich erste Effekte und die Schmerzen schienen langsam weniger zu werden. Aber irgendwie bog ich dann doch auf den Weg des Tensegralen Trainings ein. Ich schaute mir verschiedene Trainer an und fand die Effekte, die die Methode offensichtlich kurzfristig erbringen konnte, faszinierend. Ich nahm also selbst Unterricht, machte mich mit der Methode vertraut. Und trotzdem, im Dezember 2023 war meine Stute wieder lahm.
Die nächste Cortisonbehandlung der wieder entzündeten Sprunggelenke folgte und ich organisierte einen Kurs zum Tensegralen Training auf unserem Hof, da mein Pferd ja weiterhin so instabil war, dass ich sie nicht mit dem Anhänger fahren konnte. Aber in diesem Kurs fing sie wieder an zu lahmen. Ich beschloss, dass auch diese Trainingsform für uns nicht das richtige war und suchte weiter.
Und wie sagt man so schön, "Wenn Du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her" und ich stieß auf den ECVM Kurs von Maren und Saskia. Ich dachte mir, dass ich ja nichts mehr zu verlieren hatte und meldete mich zum Kurs im April 2024 an.
Ich muss zugeben, ich war skeptisch.
Wir trafen uns einmal pro Monat zum Zoom Meeting, in dem uns Maren und Saskia theoretischen Input gaben und unsere Fragen beantworteten, sonst arbeiteten wir alleine zu Hause mit unseren Pferden und dokumentierten Status, Fragen und Probleme in einem Arbeitsbuch.
Die wohl größte Erkenntnis dieses Kurses lag für mich im Wissen rund um das LSG, von dessen Existenz, Funktion und Auswirkung auf den Körper ich vorher nichts gewusst hatte (traurig, wenn ich bedenke, wie lange ich mich schon mit Pferden beschäftige...).
Mir wurde klar, dass ich, um mir selbst ein angenehmes Reitgefühl zu bescheren, Jolie jahrelang herunterreguliert und damit ihre körperliche Funktionalität außer Kraft gesetzt hatte. Zusätzlich taten gut gemeinte Stehphasen zur Regeneration ihr übriges und verschlimmerten ihren Zustand. Ich hatte also, anders als ich es mir damals beim Kauf vorgenommen hatte, leider ziemlich viel falsch gemacht.
Meine Stute war zu Beginn des ECVM-Kurses so schwach, dass ich sie nicht mal 1 Minute am Stück traben lassen konnte.
Und dann lahmte sie auch schon wieder....
Also erneut Gelenksinjektion, diesmal Fascettengelenke und ISG.
Und auf einmal lief sie und ich konnte endlich anfangen so zu trainieren, wie wir es im Kurs gelernt hatten.
Durch die Ideen der anderen Kursteilnehmerinnen und die Tipps von Maren und Saskia erarbeiteten wir uns das Ziehen und das Vorwärts sowohl im Schritt als auch im Trab vom Boden aus und waren fleißig auf geraden Linien auf dem Platz unterwegs oder im Gelände.
Irgendwann war sie so fleißig und hatte so ein frisches Vorwärts, dass ich zu Fuß einfach nicht mehr hinterher kam. So musste ich irgendwann meinen Sattel kontrollieren lassen, der mehr als 3 Jahre in der Sattelkammer gehangen hatte und siehe da, das Satteln ging problemlos und ich durfte aufsteigen. Es war so befremdlich, ich hatte sie von früher ganz anders in Erinnerung, sie war so schmal und wenig bemuskelt. Unser erster Ausritt war dann auch, als würde ich eine 3-Jährige reiten, die das erste Mal im Gelände ist. Aber das Feuer in meiner Stute war endlich wieder entfacht. Als ich nach diesem ersten Ritt abstieg, hatte ich den Eindruck, sie sei hochzufrieden, als wolle sie sagen, "endlich...".
Heute, im November 2024, ist meine Stute soweit fit, dass ich sie nunmehr seit mehr als 3 Monaten regelmäßig, am liebsten geradeaus im frischen Vorwärts, im Gelände reite. Dies ist zeitweilig eine gewaltige Herausforderung für mich, ist doch der natürliche Bewegungsdrang eines Halbblutes mit meinem manchmal doch eher gemütlichen Vorstellungen von einem Ausritt nicht ganz kompatibel. Aber wir haben unseren Weg zurück zur gemeinsamen Freude an Bewegung in der Natur gefunden und dafür bin ich sehr dankbar.
Ich hatte mich damit abgefunden, dass mein Pferd so krank ist, dass ich es nie mehr reiten können würde und wollte ihr eigentlich nur irgendwie die Schmerzen nehmen. Und plötzlich reiten wir nach mehr als 3 Jahren Pause wieder zusammen durch Wald und Feld. Was kann es schöneres geben?
Sicherlich gibt es auch Nachteile. Beispielsweise sind wir aktuell so flott unterwegs, dass keiner mit uns ausreiten kann bzw. will. Aber das nehmen wir gerne in Kauf, wenn dafür ihr Körper zurück zur Funktionalität findet und langsam wieder Muskeln und Kraft aufbaut.
Ich will Euch aber auch nicht verheimlichen, dass nicht jeder Tag eitler Sonnenschein ist. Gerade jetzt im Winter sehe ich wieder vermehrt, dass ihr das Vorwärts zu Beginn schwerer fällt, aber es ist trotz allem eine großartige Verbesserung ihres Zustandes, den ich mir nicht mehr hätte träumen lassen.
Und wie ich meine Stute kenne, wird sie auch weiterhin nicht müde, mir Aufgaben zu stellen, für die ich dann eine Lösung zu finden habe. Aber das macht das Leben mit ihr niemals langweilig.
Ich danke Maren und Saskia für das goldene Puzzleteil auf dem Weg zurück zum glücklichen Pferd-Mensch-Team, das sie mir mit diesem Kurs gegeben haben und hoffe, dass sie noch viele Besitzer von Pferden mit ECVM-Befunden erreichen werden.”
Tja, und ich danke für den ausführlichen Bericht und hoffe, dass er anderen, die sich in ähnlichen Situationen befinden, Mut machen kann. Jede dieser Geschichten freut mich ungemein, und manchmal glaube ich, dass diese Art, sich auf den Weg zu machen, ein bisschen ansteckend ist!
Es gibt einen Punkt, auf den ich gerne an dieser Stelle hinweisen möchte: Ein Befund alleine sagt nichts über die klinische Relevanz desselben aus und Aussagen über die Reitbarkeit eines symptomatischen ECVM-befunden Pferdes sind immer in Zusammenhang mit der Art des Reitens zu bringen. In unseren Kursen haben wir so viele Symptome verschwinden und Pferde reitbar werden sehen, dass wir die grundsätzliche klinische Relevanz von ECVM-Befunden inzwischen deutlich niedriger einschätzen als noch vor einem Jahr.