Als ich nach meiner Scheidung nach langem Abwägen und Hinwägen und Abwägen über meinen Schatten sprang und beschloss, mir wieder ein eigenes Pony zu kaufen (schließlich sollte das Leben viel mehr Ponyhof sein!), hatte ich nicht viel Geld. Ich konnte mich nicht umschauen bei renommierten Züchtern meiner begehrten Rassen, sondern stöberte auf Kleinanzeigen bei den berühmten Ponys für unter 2000€.
Gutmeinende Ratgeberinnen hielten mir lange Vorträge über die in Zukunft entstehenden Tierarztkosten für diese Billigponies, kennt ja jeder, ist ja zu erwarten. Ich war mir da nicht so sicher und entschied mich nach einigem Umschauen für eine knapp vierjährige ungerittene Andalusiermixstute namens Amber. Die gutmeinenden Ratgeberinnen stuften die Stute nach einem frachfraulichen Blick als „eine Art Straßenkatzenmix“ ein. Ich mochte das Pony, Katze hin oder her.
Nun ging es ans Anreiten. Zur Verfügung standen eine Reitwiese, die nach längeren Trockenphasen tatsächlich manchmal bereitbar war, und der Pfälzer Wald. Nach den ersten Feinabstimmungen auf der Reitwiese (Los! Stop! Rechts! Links!) ging es in den Wald. Wir hatten viel Spaß, und das Pony hat mich nie verloren („Das Herunterfallen ist zu vermeiden“, mein Lieblingszitat aus der HDV 12, das ich durch Maren kennenlernte).
Trotzdem sang eine leise fiese Stimme unablässig in mein Ohr, dass ein Pferd definitiv in der Reitbahn gymnastisziert werden müsse, damit es beim Herumstreunen im Wald keinen Schaden nimmt. Reitbahn hatte ich nicht, damit war das Problem also erst einmal gelöst.
Als Amber 6-jährig war, zogen wir in einen Stall mit Reitplatz um, und dort gab es auch eine Trainerin. Diese unterrichtete nach dem Konzept einer aktuell recht bekannten Trainerin, orientiert an Légèreté und Baucher. Nun hatte ich einen Reitplatz und eine Trainerin, also keine Ausreden mehr: Das Pony konnte endlich ordentlich gymnastiziert werden, ohne weiteren Schaden durch die Waldreiterei zu nehmen!
So schlichen wir im Tropfenschritt durch die Bahn, und auch der Trab war nicht wesentlich schneller. Schulterherein und Travers nudelten wir gefühlt stundenlang in allen möglichen Bahnfiguren, und das Pony bekam auch endlich „barocke“ Formen, wie es seiner Abstammung geschuldet war. Heute würde ich es als “Hängebauchpony” titulieren.
Das war der Zeitpunkt, zu dem Amber im Gelände anfing zu stolpern weglief, wenn ich das Halfter in der Hand hatte. Ich weint auf dem Reitplatz regelmäßig und dachte, ich sei zu blöd. (Ich weiß, ich weiß, ein bekannter Podcast heißt: “...und du bist nicht zu blöd…”). Sie bekam Husten und Stoffwechselstörungen, sie war auf dem besten Wege zum Patientendasein.
In Gesprächen mit Maren wurde mir klar, dass Reiten anders sein und sich anders anfühlen kann. Sollte. Dennoch war da immer noch der jahrzentelang eingeprägte Glaubenssatz: “Du sollst dein Pferd in der Reitbahn anständig gymnastizieren!" Zum Glück begann dann der Kurs „Argumente für Geländereitende“.
Was soll ich sagen? Ich bin geheilt!
Mein Pony und ich haben wieder Spaß am (Gelände-)reiten, wir sausen bergauf und bergab. Manchmal schlendern wir auch – weil, wir können beides!
Und im Winter, mit wenig Licht nach der Arbeit, gehen wir sogar in die Reitbahn und üben ziehend ans Gebiss Übergänge auf großen Linien. Wenn keiner guckt, bewegen wir uns auch mal heimlich ein paar Schritte Schulterherein.
Allerdings muss ich hier eine Nebenwirkung ansprechen, über die nach Teilnahme an Marens Kursen des öfteren berichtet wurde: Der Sattel passte nicht mehr. Weder dem Pony noch mir.
Dem Pony passte er nicht mehr aufgrund pferdekörperbaulicher Veränderungen in Folge anderer Bewegungsmuster („form follows function“). Mir passte er nicht mehr, weil ich nunmehr überzeugt davon bin, dass ein Sattel
- für das Pferd eine großeTragefläche (nicht Auflagefläche) und viel Platz (auch seitlich!) vom Widerrist bieten muss
-für den Reiter viel Bewegungsfreiheit bieten muss, um allen Anforderungen im Gelände, alle möglichen und unmöglichen Situationen, bestmöglich meistern zu können.
Fündig wurde ich beim Armeesattel M25, hunderttausenfach unter härtesten Bedingungen getestet (keine großen Pauschen, kein tiefer Sitz, ohne Amazonalösung und knallhart
ungepolstert für den Hintern). Ein auf den Armeesattel spezialisierter Sattler kürzte ihn mir fachgerecht für mein Pony, und gefühlt erweiterten wir unser gemeinsames Bewegungspotential noch einmal kräftig!
Amber war seit dem Beginn des Austauschs mit Maren und fröhlicher Geländevorwärtsreiterei niemals krank: kein Husten, keine Lahmheit, kein Nix. Die Gallen an den Hinterbeinen, die sie schon immer hatte, seit ich sie kenne, sind fast vollständig verschwunden. Bei Wanderritten ist sie am letzten Tag genauso eifrig wie am ersten, und Höhenmeter werden in allen Gangarten und Geschwindigkeiten gemeistert. Der Hängebauch ist fort, sie ist fröhlich und unternehmungslustig und hat mich immer noch nicht verloren.
Ach ja: das Straßenkatzenmixpony stellte sich dann nach einigem Nachforschen als reinrassige Marismenastute heraus…
Auf den Bildern seht ihr Amber oben links als Vierjährige, oben rechts nach dem Zwischenspiel Gymnastizierung und unten jetzt.