Liebe Maren,
hier meine persönliche mutmachende Rennponygeschichte, denn seit ich mit Saanie fast ausschließlich im Gelände unterwegs bin, hat sich bei ihm so viel zum Positiven verändert, dass es sich lohnt, darüber zu schreiben.
Die aktuellen Röntgenbilder aus der Sattellage hast Du ja schon gesehen, es sind nicht mal mehr Engstände von dem früheren Kissing-Spines-Befund zu erkennen. Man sieht zwar noch die Knochenzubildungen, wo die Dornfortsätze sich berührt haben, aber mehr auch nicht. Er zeigt keine Anzeichen von Headshaking mehr und seine Sehne vorne links ist wieder vollkommen klar. Und, was mich wirklich beeindruckt: Das Verwerfen beim Antraben ist komplett verschwunden! Er zieht jetzt direkt gleichmäßig ans Gebiss.
Und vor allem ist er so ein lieber Kerl geworden, das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Liebe Grüße,
Saskia
Ende September starteten wir zu viert auf einen dreitägigen Wanderritt durch den Pfälzer Wald und die Nordvogesen. Zwei Reiterinnen, zwei Pferde, eine Karte. Geplant hatten wir die Route zwar, aber da uns kurz vorher die Unterkunft abgesagt wurde, mussten wir umdisponieren und starteten nur mehr mit ganz grobem Plan, welcher uns in so manches Abenteuer führte.
Es war für Saanie und mich der erste Wanderritt überhaupt. Genau genommen wanderreiten wir beide auf dem zweiten Bildungsweg, denn Saanie war lange und hauptberuflich Rennpferd und ich FN-Pflanze. Für glatten, festen Rasen und tiefen nassen Rasen mit und ohne Hindernissen, geradeaus oder mit leichten Kurven hatte Saanie einen hervorragenden Plan, welcher einst seiner Besitzergemeinschaft viel Geld und seinem Trainer Ruhm und Ehre eingebracht hatte, ihm selbst aber einen Sehnenschaden und ein Ende seiner Karriere im Alter von acht Jahren.
Als er 2020 im Alter von 10 Jahren bei mir ankam, war leider sein Kopf nicht mehr klar, ebensowenig seine Beine und die Röntgenbilder seiner Dornvortsätze. Er hatte Facettengelenksarthrose an der Halsbasis, war Headshaker und hatte es geschafft, seinen Ruf vollständig und komplett zu ruinieren. Er galt als verrücktes, gefährliches Pferd und mir war er manchmal regelrecht peinlich. Mein verrücktes Pferd. Ich war mit alledem ordentlich und lange beschäftigt und so manches Mal mit meinem Latein ziemlich am Ende.
Ich merkte schnell, dass Saanie kein großer Fan von Platzarbeit war und „langsam“ war für ihn ein äußerst dehnbarer Begriff. Wir arbeiteten uns schleppend aus der Abwärtsspirale, viel vom Boden und wenig unter dem Sattel, mit minimalem Enthusiasmus und durch viele Höhen und Tiefen beider Parteien.
Ende 2022 zog Saanie sich auf der Weide eine schwere Verletzung zu und musste lange pausieren.
In dieser Pause entschloss ich, meine Arbeit mit Saanie zu ändern. Ich hatte in Marens Kursen Biotensegrität und Gebrauchshaltung kennengelernt und war bereit für die Arbeit mit Saanies unverwüstlichem tensegralen Potenzial. Rückblickend würde ich heute behaupten, er hat dieses Potenzial von Anfang an verteidigt, mit allem was er hatte, bis aufs Blut. Er ist ein kluges, starkes Pferd!
Die Gebrauchshaltung war für Saanie ein Gamechanger, das Vorwärtsziehen ans Gebiss der Schlüssel und alles zusammen der Anfang vom Weg aus seinen Pathologien heraus.
Und nun, Ende September 2024, war unser dreitägiger Wanderritt, eine „Therapie“ ganz nach seinem Geschmack. 85km in drei Tagen, im Schnitt 900 Höhenmeter pro Tag, haben seinen Körper und seinen Geist erstaunlich verändert. Bergauf zog er schnurgerade ans Gebiss, ich spürte deutlich das Gleichmaß der Kraft seiner Hinterhand in meinen Händen. Wie bergab am besten funktioniert, musste er erst herausfinden, schreckte dann aber vor keiner Herausforderung zurück.
Auf ihn war plötzlich Verlass, auch in brenzligen Situationen. Einmal standen wir am Berg, auf einem schmalen Pfad, enge Kurven führten steil ins Tal. Neben uns der Abhang, ich durfte gar nicht hinsehen, denn eigentlich habe ich Höhenangst. Saanie setzte auch über glatte Felsen seine Hufe mit Bedacht, passte sein Tempo den Gegebenheiten an und ich habe nicht die geringste Ahnung, wann er das gelernt hat.
Er ist glücklich, ich bin glücklich. Er springt und klettert über Baumstämme, trinkt aus Pfützen, steht wie ein Fels wenn ich aufsteige. Auch im Trab zieht er plötzlich konstant ans Gebiss und auf den steinigen Wegen, spüre ich wie er sich aufspannt. Den Boden scheint er nicht mehr zu berühren, es spielt offenbar keine Rolle mehr, was dort unter uns liegt, oder nicht liegt. Löcher nehme ich im Bewegungsablauf nicht mehr wahr, er scheint darüber zu schweben. Drei Kilometer verbringen wir so, wie im Vollrausch, sehe ich später auf meiner App. Meine Freude über seine erstaunliche Entwicklung während dieser kurzen Zeit ist riesig.
Begonnen habe ich diesen Ritt mit einem Rennpferd, angekommen bin ich mit einem zuverlässigen und zufriedenen, belastbaren Gebrauchspferd. Meinem Gebrauchspferd, welches mittlerweile Herzen gewinnt, statt Geld. Ich bin stolz auf ihn und freue mich sehr, auf das was kommt.