Blog Post

Mehr mutmachende Ponygeschichten - Die Prinzessin unter den schwarzwälder Viertelmeilern

Maren Diehl • 3. Februar 2023
Prinzessin

"Aus dem Stall kam eine laute Beschwerde, warum denn um die Jungs so ein Hype gemacht wird, und sie wird gar nicht beachtet. Also, in diesem Sinne, bekommt auch die Prinzessin (16) ihren Auftritt.


Sie ist vor 8 Jahren zu uns gestoßen, eine bildschöne Dunkelfuchsstute mit leider einer etwas unschönen Trainer-Vergangenheit. Sie war Reining-Katze, auf Gehorsam gedrillt, musste immer funktionieren. Sie hat erst mal ganze 6 Jahre gebraucht um richtig an- und aus sich heraus zu kommen.


Der Mann ist jetzt nicht so ambitioniert was Wissen angeht wie ich, er muss halt beim Reiten das mitmachen was die Jungs und ich so treiben, insofern ist die Prinzessin ein Kompetenzentwicklungs-Mitläufer.


Dabei muss man aber nun feststellen, daß man sich nicht täglich mit den Ideen auseinandersetzen muss, um schöne Ergebnisse zu bekommen, sondern man kann sich bei jemandem hinten dran klemmen, der Versuchsreihen startet (bzw dessen Pferde Versuchsreihen starten) und ist dann sehr erstaunt, was dabei rauskommt.


Der Mann und das Dunkelfuchstier sind zeitlich etwas begrenzt, vor allem im Winter, was in den vergangenen Jahren regelmäßig zu übermütigen Eskalationen des Vierbeiners geführt hat, und zu „Ich glaub ich sitz heut nicht drauf“ seitens des Mannes. Nun hatten Mann und Pferd im Frühjahr zwei Einheiten  kompetenten tensegritätsbasierten Reitunterricht, und das hat für die beiden schon Welten geöffnet. Dann noch regelmäßig mit den Jungs einen Familienausflug ins Gelände machen, und siehe da, wir kommen in  positive Bewegungsmuster.


Aber der Reihe nach:

Durch die Reining-Ausbildung hatte Frau Dunkelfuchs natürlich gelernt, was Sliden ist, nicht gerade die steilste Idee auf matschigem Geländeboden, denn sowie sie ins Rutschen kam, ist sie geslidet  bis es  gestoppt hat… und dann ging es erst weiter. Da war mal die erste hilfreiche Idee, daß man immer ins Vorwärts zieht.


Und dann ging es ab letztem Frühjahr auf die Strecke, mal mehr oder weniger übermütig, mit mehr oder weniger Trittsicherheit. Aber durch die Anwesenheit der Jungs und deren Entwicklung konnten Mann und Pferd einfachfolgen und haben sich mit immer schwierigeren Bodenverhältnissen und immer schwierigerem Setting angefreundet.

Vor ein paar Wochen, als es wieder so richtig schmierig und rutschig auf dem Stück Wiesenweg an der Straße entlang war, meinte der Mann: "Das wäre ich vor einem Jahr nicht so entspannt geritten, mit der Gewissheit, die Prinzessin macht das schon."


Auch Vorschläge wie: "Komm, da runter können wir traben", wären vor einem Jahr undenkbar gewesen.

Ein schönes Nebenprodukt ist die körperliche Entwicklung der Prinzessin: ein stabiler Rücken, eine tolle Halsform, der erste Winter ohne Decke weil sie genug Speck auf den Rippen hat (sie war sonst im Winter, egal welches Futter, immer zu dünn), eine stabile Lendenpartie, und ein gleichmäßiger Stand beim Hufe bearbeiten. Außerdem hat sich die Psyche sehr positiv entwickelt, sie kommt aus sich raus, und wenn das Personal morgens nicht schnell genug ist kann sie einen auch mal in den Hintern zwicken, sie ist nicht mehr das graue Mäuschen.

Sie fühlt sich einfach wohl in ihrer Haut.


Ich kann jedem nur empfehlen sich mit dem Gelände auseinanderzusetzen, es für sich arbeiten zu lassen, es macht tolle Sachen."


Hier haben wir ein schönes Beispiel für den Wert der Ausbildung "im Rudel", wie es früher bei der Kavallerie hieß. "Das Herunterfallen ist zu vermeiden", ansonsten heißt es abgucken, mitmachen, nachmachen. Funktioniert. Vor allem funktioniert es in Kombination mit einem veränderten Verständnis, denn die zwei erwähnten Reitstunden zur Einführung in das Konzept der Biotensegrität werden sehr hilfreich gewesen sein. Der "richtige Geist" ist hier wichtiger als die Perfektionierung der Hilfengebung oder eine reine Sitzschulung. 


Ganz interessant finde ich, dass diese Geländeerfahrungen es geschafft haben, den extremen Drill der Reiningausbildung nach so vielen Jahren endlich zu überschreiben. Einmal installierte Knöpfe umzuprogrammieren ist sehr schwierig, man muss neue Knöpfe anlegen und darf die alten nicht mehr drücken. Durch das veränderte Setting in Verbindung mit dem neuen Paradigma hingegen bildet sich anscheinend ein vollständiges, neues, in sich stabiles System. Sehr schick!

Ihr mögt meine Blogposts und möchtet benachrichtigt werden, wenn es etwas Neues gibt? Dann bestellt einfach den Newsletter über den Button im Footer. Ihr könnt ihn jederzeit ganz einfach über einen Link im Newsletter wieder abbestellen, wenn ihr es euch anders überlegt.

Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

Share by: