"Aus dem Stall kam eine laute Beschwerde, warum denn um die Jungs so ein Hype gemacht wird, und sie wird gar nicht beachtet. Also, in diesem Sinne, bekommt auch die Prinzessin (16) ihren Auftritt.
Sie ist vor 8 Jahren zu uns gestoßen, eine bildschöne Dunkelfuchsstute mit leider einer etwas unschönen Trainer-Vergangenheit. Sie war Reining-Katze, auf Gehorsam gedrillt, musste immer funktionieren. Sie hat erst mal ganze 6 Jahre gebraucht um richtig an- und aus sich heraus zu kommen.
Der Mann ist jetzt nicht so ambitioniert was Wissen angeht wie ich, er muss halt beim Reiten das mitmachen was die Jungs und ich so treiben, insofern ist die Prinzessin ein Kompetenzentwicklungs-Mitläufer.
Dabei muss man aber nun feststellen, daß man sich nicht täglich mit den Ideen auseinandersetzen muss, um schöne Ergebnisse zu bekommen, sondern man kann sich bei jemandem hinten dran klemmen, der Versuchsreihen startet (bzw dessen Pferde Versuchsreihen starten) und ist dann sehr erstaunt, was dabei rauskommt.
Der Mann und das Dunkelfuchstier sind zeitlich etwas begrenzt, vor allem im Winter, was in den vergangenen Jahren regelmäßig zu übermütigen Eskalationen des Vierbeiners geführt hat, und zu „Ich glaub ich sitz heut nicht drauf“ seitens des Mannes. Nun hatten Mann und Pferd im Frühjahr zwei Einheiten kompetenten tensegritätsbasierten Reitunterricht, und das hat für die beiden schon Welten geöffnet. Dann noch regelmäßig mit den Jungs einen Familienausflug ins Gelände machen, und siehe da, wir kommen in positive Bewegungsmuster.
Aber der Reihe nach:
Durch die Reining-Ausbildung hatte Frau Dunkelfuchs natürlich gelernt, was Sliden ist, nicht gerade die steilste Idee auf matschigem Geländeboden, denn sowie sie ins Rutschen kam, ist sie geslidet bis es gestoppt hat… und dann ging es erst weiter. Da war mal die erste hilfreiche Idee, daß man immer ins Vorwärts zieht.
Und dann ging es ab letztem Frühjahr auf die Strecke, mal mehr oder weniger übermütig, mit mehr oder weniger Trittsicherheit. Aber durch die Anwesenheit der Jungs und deren Entwicklung konnten Mann und Pferd einfachfolgen und haben sich mit immer schwierigeren Bodenverhältnissen und immer schwierigerem Setting angefreundet.
Vor ein paar Wochen, als es wieder so richtig schmierig und rutschig auf dem Stück Wiesenweg an der Straße entlang war, meinte der Mann: "Das wäre ich vor einem Jahr nicht so entspannt geritten, mit der Gewissheit, die Prinzessin macht das schon."
Auch Vorschläge wie: "Komm, da runter können wir traben", wären vor einem Jahr undenkbar gewesen.
Ein schönes Nebenprodukt ist die körperliche Entwicklung der Prinzessin: ein stabiler Rücken, eine tolle Halsform, der erste Winter ohne Decke weil sie genug Speck auf den Rippen hat (sie war sonst im Winter, egal welches Futter, immer zu dünn), eine stabile Lendenpartie, und ein gleichmäßiger Stand beim Hufe bearbeiten. Außerdem hat sich die Psyche sehr positiv entwickelt, sie kommt aus sich raus, und wenn das Personal morgens nicht schnell genug ist kann sie einen auch mal in den Hintern zwicken, sie ist nicht mehr das graue Mäuschen.
Sie fühlt sich einfach wohl in ihrer Haut.
Ich kann jedem nur empfehlen sich mit dem Gelände auseinanderzusetzen, es für sich arbeiten zu lassen, es macht tolle Sachen."
Hier haben wir ein schönes Beispiel für den Wert der Ausbildung "im Rudel", wie es früher bei der Kavallerie hieß. "Das Herunterfallen ist zu vermeiden", ansonsten heißt es abgucken, mitmachen, nachmachen. Funktioniert. Vor allem funktioniert es in Kombination mit einem veränderten Verständnis, denn die zwei erwähnten Reitstunden zur Einführung in das Konzept der Biotensegrität werden sehr hilfreich gewesen sein. Der "richtige Geist" ist hier wichtiger als die Perfektionierung der Hilfengebung oder eine reine Sitzschulung.
Ganz interessant finde ich, dass diese Geländeerfahrungen es geschafft haben, den extremen Drill der Reiningausbildung nach so vielen Jahren endlich zu überschreiben. Einmal installierte Knöpfe umzuprogrammieren ist sehr schwierig, man muss neue Knöpfe anlegen und darf die alten nicht mehr drücken. Durch das veränderte Setting in Verbindung mit dem neuen Paradigma hingegen bildet sich anscheinend ein vollständiges, neues, in sich stabiles System. Sehr schick!