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Eine Ponygeschichte zum Mutmachen 2

Maren Diehl • 14. Januar 2023
Pferd vor dem Sulky im Gelände

Teil 2


DER JUNGSPUND


"Gegen Ende des Jahres 2020 begann ich, mir Gedanken über das Anreiten des inzwischen 4,5jährigen Jungspundes zu machen – und da ich uns bei keinem der hier ansässigen Trainer und in keiner der hier vertretenen Reitweisen sah, funkte ich nach langer Pause Maren an, die seit Corona-Beginn Online-Coachings anbot. Ob sie sich vorstellen könnte, den Youngster und mich aus der Ferne zu begleiten...? Sie konnte. Und wenn man zwei Pferde zur Verfügung hat, kommen natürlich auch beide in den Genuss neuer Erkenntnisse.


Grundlagen wie „ans Gebiss ziehen“ - was das unvoreingenommene Jungpferd völlig selbstverständlich hinnahm - brachten den alten Isi zur Verzweiflung. Wurde nicht früher immer ein Nachgeben verlangt? Es dauerte, bis der Knoten platzte und auch die alte Dame wieder Kontakt im Maul halten konnte. Beide Pferde zeigten aber ähnliche Resultate: Trabte die Jungstute  mit Gebiss im Maul und leichtem Zügelkontakt am Langzügel, war der Trab deutlich koordinierter als am Halfter oder Kappzaum. Lief der Arthrose-Isi gebisslos, schlurfte er sich die Zehen der Hinterhufe eckig. Mit einfacher Stange, aufgenommener Leine und Kontakt zum Maul war das Schlurfen reproduzierbar abgestellt.


2021 kam die Jungstute immer öfter in kurzen Reprisen unter den Sattel, übte sich recht bald in Trab-Galopp-Trab-Übergängen und flottem Gradaus-Flitzen im Wald, kletterte Böschungen rauf und runter und unternahm eine erste zweitägige Wanderung in Begleitung der Isi-Oma. Einzig einen Reitplatz bekam sie in diesem Jahr nicht zu Gesicht und den Longierzirkel vielleicht zehn Mal....


Dafür erforschten wir mit Maren in der Coaching-Gruppe das LSG und befragten unsere Pferde, was sie von der LSG-These hielten. Wieder einmal meinte der Jungspund, der nie in die Verlegenheit gekommen war, sich mit Konzepten wie „Rücken aufwölben“, „auf die Hinterhand setzen“, „Gewicht aufnehmen“, „Vorhand anheben“oder „im Genick nachgeben“ beschäftigen zu müssen, das sei alles ganz logisch und „LSG zu“ sei normal.


Die Seniorin konnte plötzlich wieder bergauf traben, wo sie zuvor immer zum Schritt parieren musste. Je nach Tagesform lief sie dieses Jahr mal mit, mal ohne Sulky, mal am Fahrrad und mal einfach zu Fuß durchs Gelände, und knackte im Rahmen unserer zehnten Wanderfahrt erneut fast die 2000km – Marke.


2022 zog der Jungspund über Sommer zu mir nach Hause. 

Es wurde ein Jahr voller Pony-Highlights: lange Spaziergänge mit beiden Mädels; das lang erträumte und endlich umgesetzte Handpferdereiten als weitere Möglichkeit, die Old Lady komplett ohne Belastung zu bewegen; eine viertägige Wanderung mit Packsätteln auf den Pferden und der kompletten Ausrüstung an Bord, um autonom unterwegs zu sein. Der Isi absolvierte diese Tour unter dem Motto „Wo ich bin, ist vorne!“ und das Junggemüse befand, dass man mit einer so erfahrenen Wanderdüne nicht diskutiert und ließ sie vorwegstapfen. Zum ersten Mal ritten wir auch auf dem Platz (Ich kann vorwegnehmen: mehr als vier Mal hat der Sandkasten uns immer noch nicht gesehen) und verlängerten unsere Reiteinheiten im Gelände.


Bis zum September hatten wir ordentlich Kilometer gemacht und uns für eine weitere 7-tägige Wanderung vorbereitet, die dann wegen einer Kolik der alten Dame ausfiel. Da ich aber einige Tage frei hatte, wollte ich das Thema Einfahren beim Jungpferd angehen. Fahren vom Boden war bereits bekannt, auch zweispännig nebeneinander und mit dem Menschen im Schlepptau. Das Geschirr hatten wir spazieren getragen und der Sulky war zumindest vom Anschauen und von der Geräuschkulisse her bekannt. 


Nach zwei Wochen Trockenübungen mit und um die Kutsche, parallel zu langen Ausritten jeden zweiten Tag, kam der Jungspund eines Morgens mit steifem Holzbein und offensichtlichem Knieproblem von der Weide gehumpelt - vermutlich in ein  tiefes Loch getreten. Unsere Osteo konnte gute erste Hilfe leisten, riet aber maximal zu ruhiger Bewegung ohne Reiter und geradeaus auf ebenen Böden – was der aktuell ziemlich fitte Youngster ab Tag 2 mit wilden Galoppaden und Sliding Stops auf der Weide für völlig unnötig erklärte. Kurzerhand intensivierten wir unsere Einfahrübungen, um zumindest den Kopf mit vielen neuen Eindrücken beschäftigt zu halten, und vier Wochen nach den ersten Anfängen durfte ich im Gelände ein kurzes Stück auf dem Sulky mitreisen. Von da an verlängerten wir die Runden täglich um einen kleinen Schlenker, nahmen rasch kurze Trabreprisen auf griffigem Boden hinzu und dehnten diese, als sich keine Verschlechterungen im Gangbild zeigten, auf 8km Dauertrab aus. In den kommenden vier Wochen lief das Pferdchen fast täglich am Sulky, erkundete das bislang errittene Gelände neu – vorweglaufen und als erstes dem Säbelzahntiger zum Opfer fallen ist eine sehr aufregende Angelegenheit! - und hatte Ende November bereits gute 225 Sulkykilometer auf dem Tacho, bevor es wieder in die alte, große Herde zog, damit die hiesigen Senioren in Ruhe und ohne die kleine Krawallschachtel überwintern konnten.


Und der alte Isi? Nun, der lief wie die letzten sieben Jahre auch, am 23.12. die traditionelle Sulkyrunde um die Windräder. Schon oft hatte ich gescherzt, dass ich, wenn ich diese Tradition beibehalten wollte, eines Tages vermutlich am 23.12. mit der alten Dame am Führstrick auf die altbekannte Galoppstrecke einbiegen und wir diese zu Fuß hinter uns bringen würden. Aber auch wenn die Trabtritte inzwischen etwas kürzer sind und die Galoppstrecke nicht mehr in voller Länge durchgaloppiert wird, flitzte das inzwischen 29-jährige Pony beim Anblick der Galoppstrecke direkt in gewohnter Manier los. 


Von wegen, Rente mit 22."


Was finde ich im zweiten Teil bemerkenswert?

• Mit welcher Klarheit junge Pferde Konzepte erfassen und für stimmig erklären

• Dass selbst eine Isi-Oma noch neue Bewegungskonzepte integrieren kann

• Dass zwei einfache Veränderungen wie ein Jungbrunnen wirken können

• Wie effizient die Betreuung aus der Ferne war

• Wie alle Inhalte meiner Online-Kurse auf das Reiterhirn und durch die veränderten Vorstellungen in demselben auf das Pferd und die gemeinsame Performance wirken

• Dass ich meine erste Coaching-Gruppe guten Gewissens loslassen kann, aber dennoch alle noch dabei sind.

• :D



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Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

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