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Die Mitte zwischen den Wahrheiten

Maren Diehl • 22. Mai 2022
Die Paradigmen

Der große Streit zwischen Gustav Steinbrecht und Baucher ist vermutlich der bekannteste in der Reiterei, und er führt heute noch zur Lagerbildung. Es freut mich, dass ich das Thema aus dem Ordner "Meinungen" herausholen und so für alle Reitenden eine persönliche Entscheidung für ein Konzept der Pferdeausbildung ermöglichen konnte.


Es handelte sich um den lebenslangen Streit zwischen einem Reiter, der die Schlüsselfunktion des Lumbosakralgelenks verstanden hat, und einem, der sich der Schädlichkeit seiner Methoden für die Gesundheit der Pferde nie bewusst geworden ist. Es ist zu vermuten, dass die anatomischen Details, die uns heute zugänglich sind, beiden unbekannt waren.


Für Steinbrecht stand immer die solide Grundausbildung aller Pferde im Vordergrund, mit dem Ziel, möglichst viele gesunde und belastbare Pferde auszubilden. Bauchers Methoden hingegen zielten auf die schnelle Beherrschbarkeit eines Pferdes und gute Showeffekte ab. 


Das Lumbosakralgelenk eines Pferdes lässt sich beim Reiten und in der Bodenarbeit äußerst einfach öffnen. Das fand Baucher heraus und machte es zur Grundlage seines Systems. Der Effekt scheint zunächst überzeugend, da das Pferd nun nicht mehr rennt. Die Urgewalt der Hinterhand ist abgeschaltet. Fatalerweise basiert heutzutage die Ausbildung fast aller Pferde auf diesem Prinzip, sobald Dressurarbeit ins Spiel kommt. 


Genau diese Schwächung des Pferdes zum Zwecke der besseren Beherrschbarkeit verabscheute Steinbrecht zutiefst. Gleichzeitig war die Frustration vermutlich groß, weil die reelle Ausbildung zwar viele gute Gebrauchspferde hervorbringt, der Weg zur hohen Schule für Pferd und Reiter jedoch lang ist. Gut für die Demut, schlecht für's Ego. Denn ein gutes Gebrauchspferd ist einfach unspektakulär gut. Das piaffiert nicht fein zierlich und rückwärts galoppieren kann es auch nicht. Aber es ist in jeder Lebenslage ein zuverlässiges Reitpferd. 


Währenddessen stehen die Bewunderer des Spektakulären (mit ihrer Angst vor der Kraft des ungebrochen Pferdes) in der Arena und klatschen den schnelllebigen Kunststückchen eines verkrüppelten Wesens Beifall.


Ich verstehe Steinbrechts Zorn und bin sehr froh, ihn und seine Ziele mit meiner Arbeit über die Schlüsselfunktion des Lumbosakralgelenks posthum unterstützen zu können.


Und NEIN, sie haben nicht beide ein bisschen Recht, die Wahrheit liegt nicht in der Mitte. Es gibt zwischen den Welten Bauchers und Steinbrechts KEINE Schnittmenge, weil Steinbrecht im positiven Bewegungsablauf MIT der natürlichen Schubkraft gearbeitet hat und Baucher im negativen Bewegungsablauf mit negativer Schubkraft. (Für Nerds: Wobei die positive Schubkraft keine Kraft gegen den Reibungswiderstand des Bodens darstellt, sondern die effiziente Nutzung von Bodenreaktionskräften und Schwerkraft im Vorwärts, während Bauchers negative Schubkraft auf den Reibungswiderstand des Bodens angewiesen ist.)


Übrigens bin ich mir ziemlich sicher, dass dieses Wissen auch für den ewig mit sich selbst unzufriedenen Nuno Oliveira das fehlende Mosaiksteinchen hätte sein können.


Da der Schwerpunkt meiner Arbeit seit Jahren darin liegt, möglichst umfassende Informationen zusammenzutragen, zu verknüpfen und zur Verfügung zu stellen, freue ich mich sehr, wenn ihr meine Videos kauft und auf der Grundlage dieser Videos weiter mit mir und untereinander diskutiert. Gerade den Profis rund ums Pferd seien sie ans Herz gelegt! Mit diesen Videos habe ich eine Diskussionsgrundlage geschaffen, die nachhaltige Entwicklungen einleiten könnte. 


Vor allem könnten wir so viel Zeit und Nerven sparen, wenn wir alle vom Gleichen sprächen!


Die Bildchen zeigen das selbe Pferd links aktiv stehend und rechts mit geöffnetem LSG.


www.Die-Pferde-sind-nicht-das-Problem.de


Erklärvideos: 

https://www.die-pferde-sind-nicht-das-problem.de/shop/Erklarvideos-LSG-c120109503

https://youtube.com/channel/UCL7K6Wlbi33X3kSR74414eA


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Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

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