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Die "feste Lende"

Maren Diehl • 6. Juni 2022
Was ist eine feste Lende?

Ob ich es noch lerne? Ich habe mich wieder mal,  in der Annahme, jemand wolle meine Aussagen verstehen, auf eine Diskussion auf Facebook eingelassen. Um dann, wie üblich, festzustellen, dass es nur darum ging, mir mit geringst möglichem Arbeitsaufwand die Kompetenz abzusprechen und dem eigenen Hirn den Weg zurück in den Energiesparmodus zu ermöglichen.


Dieser Jemand ist nur einer von vielen in den letzten Jahren und ich gebe zu, auch schon "jemand" gewesen zu sein. Es dauert immer viel zu lange, bis mir plötzlich klar wird, dass DER Punkt, an dem die Diskussion vorbei ist, bereits in den ersten Sätzen zu finden war.


Worum ging es? 

Es wurde ein Bild eingefordert von einem Pferd mit neutral geschlossenem Lumbosakralgelenk in Bewegung. Das habe ich, zusammen mit zwei Beispielen eines sich bewegenden Pferdes mit weit geöffnetem Lumbosakralgelenk, geliefert.


Die beiden Bilder von geöffneten Lumbosakralgelenken waren "schlecht"(?), und das Pferd mit dem neutral geschlossenen Lumbosakralgelenk habe eine "feste Lende". Falls ihr euch schon mal gefragt habt, wie man eine fachliche Unterhaltung beginnt: Versucht es anders.


Wenn nun jemand sagt, ein Pferd mit unter Last geschlossenem Lumbosakralgelenk sei fest in der Lende und der getragene Schweif angespannt, stellt sich mir die Frage, welche Vorstellungen dieser Aussage zugrunde liegen. 


Was würde geschehen, wenn der Bereich um die Lendenfaszie herum im Moment der beginnenden Streckung des Hinterbeines spannungsfrei wäre? Das Lumbosakralgelenk würde sich öffnen. Entweder stellte sich dann das Becken steil, oder die Lendenwirbelsäule senkte sich ab. 


Was genau wäre hierbei unter biomechanischen Gesichtspunkten der Vorteil für den Bewegungsablauf? Das würde ich wirklich gerne wissen. 


Welche Annahmen führen zu der in meinen Augen etwas vermessenen Aussage, das Pferd auf dem Foto würde sich in Kürze in die lange Reihe der Patienten des Jemands einreihen?


Warum spricht jemand, der sein Spezialgebiet in der Biomechanik verortet, jemandem mit Fachkompetenz in Biotensegrität selbige ab, ohne sich mit dem Themenkomplex beschäftigt zu haben?


Warum wird davon ausgegangen, dass das Bewegungsspektrum des abgebildeten Pferdes durch das ausschließlich zur Veranschaulichung eines geschlossenen Lumbosakralgelenks unter Last zur Verfügung gestellten Bildes abgedeckt ist?


Warum werden keine konkreten Fragen zu den umfangreichen kostenlosen Inhalten auf meinem Youtube-Kanal gestellt?


Warum sollte ich immer wieder versuchen, den gesamten Themenkomplex in einem Satz an Facebook-Nutzer zu vermitteln, die sich nicht die Mühe machen, das vorhandene Material zu verstehen?


Ab sofort werde ich die Frage, ob jemand verstanden habe, was ich meine, nur noch auf dem jeweiligen Kommentar basierend, mit ja oder nein beantworten und alle anderen Fragen mit 42.


Damit habe ich dann viel mehr Zeit für die Teilnehmer*innen meiner Seminare und Coachings, die sich wirklich in die Materie einarbeiten wollen. 


Ein überstrecktes Lumbosakralgelenk kann zu den vermuteten Spannungen führen, aber dann verschöben sich die Bewegungsphasen, was sie auf dem Bild nicht tun. Ein überstrecktes Lumbosakralgelenk erkennt man an den hervortretenden Muskelsträngen im Lendenbereich, die dieses Pferd nicht zeigt und nie gezeigt hat. 

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Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

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