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Das schlechte Gewissen der Geländereitenden

Maren Diehl • 9. November 2021
Geländereiten ohne schlechtes Gewissen - Freude für Mensch und Pferd

Gehört ihr auch dazu? Also... wenn ihr schon sonst nirgends dazuzugehören glaubt?

Mir ist heute so richtig klar (gemacht) (ge)worden, wie viele Reitende mit schlechtem Gewissen durchs Gelände reiten und denken, sie sollten ihr Pferd besser gymnastizieren.

Weil man ja überall liest, dass ein Pferd nur dann gesund bleibt oder tragkräftig wird, wenn man es fleißig nach X, Y oder Z in Seitengängen, Achtelhalt und Siebzehnteltritten übt. 


Hey, mal ehrlich, es gibt kein besseres Training für Pferd und Reiter*in, als in vielseitigem Gelände auf vielseitigen Untergründen bergauf und bergab alle Gangarten zu reiten.

Wenn die Hufe gesund sind, der Sattel halbwegs passt und ihr euch meistens einvernehmlich bewegt... Was gibt es besseres für Mensch und Pferd? Neue Wege erkunden, gemeinsam Geländeschwierigkeiten bewältigen, vielleicht sogar in unbekanntem Gelände zusammen Urlaub machen, war das nicht mal der Traum? 


Die gute Nachricht ist, dass ihr diesen Traum unbeschwert leben könnt. Ihr schadet eurem Pferd nicht! Weg mit dem schlechten Gewissen! Kümmert euch um die Hufe eures Pferdes, um einen passenden Sattel, und dann kann es losgehen.

Schritt, Trab, Galopp, in allen Tempi, angepasst an die jeweilige Leistungsfähigkeit, gegebenenfalls führt ihr einfach mal ein paar Minuten. Das ist Reiten.  


Wenn euch das gefällt und eurem Pferd auch, wenn ihr ein Team seid oder zumindest die Chance seht, eines zu werden: 

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH! 


In den letzten dreißig Jahren bin ich den langen Weg gegangen, habe die Reitweisen, die Ursachen für die Pathologien des Bewegungsapparates, die Biomechanik und die Biotensegrität ergründet, mich durch die Funktionsweisen der bewegten Pferdeanatomie gearbeitet, mehr gelesen und gelernt, als ich je wissen wollte. 


Nur um jetzt fachlich fundiert und höchst kompetent zu verkünden:

Euer schlechtes Gewissen ist unnötig. Tut, was euch und eurem Pferd Freude bereitet, geht ins Gelände und erlebt Abenteuer. Wenn ihr wissen wollt, wie ich zu dieser Behauptung gekommen bin, wenn ihr Gründe hören wollt und harte Fakten braucht für die üblichen Diskussionen,  nehme ich mir gerne die Zeit und die Buntstifte...

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Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

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