Blog Post

Das wirkliche Leben, Biotensegrity und die Physik

Maren Diehl • 30. Oktober 2021
Warum Sprache und Physik so wichtig sind, wenn sich für die Pferde etwas ändern soll.


Ja, es ist sehr erfreulich,  was ich letzte Woche unter einem Post auf Facebook kommentiert habe: Das Konzept von Tensegrität wird langsam bekannter. Biotensegrität ist ein Schlüssel zu einem unglaublichen Bewegungsspektrum und motorischen Kompetenz in allen Gangarten und Tempi, auf allen Untergründen in jedem Gelände. 


Für viele ist es eine Beschreibung dessen, was sie schon immer gefühlt oder als richtig empfunden haben, während anderen gerade bewusst wird, was sie sich und ihren Pferden im besten Glauben jahrelang angetan haben.


Die Bilder vom "Raum einnehmen" und vom Raum der Möglichkeiten, die Visualisierung der Verbindungen im Fasziennetzwerk durch die Faszienzugbahnen, die federnden Bewegungen,  die Ganzheitlichkeit der Bewegungen... All diese Bilder können dem mechanistischen Weltbild mit seinen Hebelkonstrukten wirklich etwas entgegensetzen.


Dennoch braucht es mehr!

Ich wünsche mir (und arbeite seit Jahren darauf hin), dass im deutschsprachigen Raum eine Gruppe von Menschen aus allen Bereichen rund ums Pferd zusammenfindet, die sich mit der Sprache rund um Biotensegrität beschäftigt, mit der zugrundeliegenden Physik und der lebendigen Anatomie in Bewegung. 


Sonst laufen wir alle, die wir Biotensegrität und ihre Prinzipien als Wissensgrundlage für die Pferdeausbildung verbreiten wollen, in die gleiche Sackgasse, in der die Biomechanik sich festgefahren hat.


Es entwickeln sich hübsche Glaubenssätze, die sich gut verkaufen lassen. Den Pferden hilft das anfangs auch ein bisschen, weil bestimmte Dinge unterlassen werden, die ihnen bisher geschadet haben. Leute, die ohnehin ein Händchen für Pferde haben, kommen damit vielleicht sogar recht weit.


Aber.... Die allerwenigsten Ausbildenden, Hufbearbeitenden, Behandelnden oder Sattler*innen können den anderen Profis rund ums Pferd fundiert, schlüssig und korrekt erklären, was warum wie ist. Dazu braucht es überhaupt erstmal eine Sprache, in der sich Biotensegrität erklären lässt. Offiziell gibt es in den Gliedmaßen Vorführer und Rückführer und einen Stehapparat. Wie soll man damit tensegrales Bewegen erklären?


Alle Glaubenssätze und Behauptungen, die auf dem Hebelmodell basieren, kann "man" mit wenigen Worten, etwas physikalischen Grundwissen und ein paar  einfachen Zeichnungen widerlegen. Könnt ihr das?


Die meisten Behandler, ob studiert oder nicht, sehen die Pathologien der Vorhand als durch Belastung verursacht und nicht durch Timingprobleme. Könnt ihr das erklären? Auch über das zweite Ja-aber hinaus?


Was macht ihr warum und wie anders als andere eures Berufes und warum? Könnt ihr das jemandem erklären, der nicht aufhört, nachzuhaken?


In den Hebelvideos und den Videos über das Lumbosakralgelenk habe ich bereits sehr viel erklärt. Ich habe hier genügend Buntstifte, um nicht nur zu erklären und zu lehren, was ich weiß, sondern auch um euch fit zu machen in der Beantwortung von Fragen. Also in echtem Beantworten und nicht im Drübersabbeln. 


Wer also hat Lust und vor allem ZEIT, die Biotensegrity-Pioneers und die Biotensegrity-Visionaires neu zu beleben?

Mehr darüber

Ihr mögt meine Blogposts und möchtet benachrichtigt werden, wenn es etwas Neues gibt? Dann bestellt einfach den Newsletter über den Button im Footer. Ihr könnt ihn jederzeit ganz einfach über einen Link im Newsletter wieder abbestellen, wenn ihr es euch anders überlegt.

Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

Share by: