Fingernägel, Hufe und Hebel

Deborah Norris, Maren Diehl • 27. März 2025
Keine Hebel im Huf

Warum man Pferdehufe nicht mit Fingernägeln vergleichen kann - und was Hebel damit nicht zu tun haben.

Dies ist ein Artikel von Deborah Norris, einer ehemaligen Raketenwissenschaftlerin und jetzigen Biomedizintechnikerin (und Phoenix-Kriegerin) über die in Zusammenhang mit Pferdehufen gerne bemühte Fingernagel-Analogie. Ich habe den Text auf Facebook bei Marvellous Hoofing gefunden und mit freundlicher Genehmigung aller Beteiligten ins Deutsche übersetzt:

"Also ja, es gibt eine Analogie zu Fingernägeln... Wenn man einen Fingernagel hoch hebelt und es weh tut, stoppt oder vermeidet man die Bewegung bzw. Belastung. Richtig? Das Gleiche gilt für ein Pferd ... Jeder, der schon einmal ein fühliges Pferd gesehen hat, weiß, dass es seine Füße (wenn sie nicht beschlagen sind) definitiv spüren kann.

Was die Festigkeit der Struktur angeht, so ist ein Fingernagelrand eine flache Sichel aus relativ dünnem Horn, aber ein Hufrand ist hufeisenförmig(!) und aus relativ dickem Hornmaterial (die Wände sind sehr dick, bis jemand sie zurückraspelt, um das “”Abrollen” zu erleichtern). Eine Hufwand ist an ihrer unteren Kante nahezu ein Vollkreis, auf jeden Fall weit mehr als ein Halbkreis.

In Bezug auf die mechanische Festigkeit gilt: Je stärker der Querschnitt eines Trägers gekrümmt ist (zweites Trägheitsmoment), desto stärker/steifer ist der Träger. Wir verwenden dies in der Technik ständig, zum Beispiel bei etwas Einfachem wie einem Schnappverschluss (z. B. um zwei Plastikteile miteinander zu verbinden)... Wenn wir den Clip stärker machen wollen, können wir ihn dicker machen (im Vergleich zu einem Fingernagel ist Hufhorn ist hunderte Male dicker), oder breiter (der Huf ist definitiv breiter als ein Fingernagel) oder die Form von einer geraden zu einer gebogenen verändern (der Huf ist im Ganzen stärker gebogen als ein Fingernagel). Der Huf ist also im Vergleich zu einem Fingernagel deutlich anders dimensioniert, so dass unsere (schmerzhafte) Erfahrung des Abbrechens eines Fingernagels eher eine menschliche Erfahrung ist und nicht wirklich etwas, das ein Pferd im Normalfall stören würde.

Im Grunde bedeutet das, dass die Hufwand allein eine unglaublich starke Struktur ist. Selbst ohne den ganzen inneren Kram und das Sohlenmaterial, aus dem der Rest der Hornkapsel besteht, ist die Wand allein ein sehr starkes Stück Geometrie, das problemlos erheblichen "Hebelkräften" widerstehen kann.

Dann fügen wir der Hufwand ein durchgehendes Sohlen-/Strahlhorn hinzu (das hat ungefähr die gleiche Härte wie UHMWPE - Ultra-High Molecular Weight Polyethylene, ein Kunststoff, der in Gelenkprothesen verwendet wird - glauben Sie mir, das fällt nicht einfach auseinander). Dadurch wird der Hufwandkreis zu einer noch stärkeren äußeren Form zusammengefügt. Und dann haben wir auf der Innenseite eine lamellare Verbindung auf dem Innenhorn, die mit den Lamellen auf der Oberfläche des Hufbeins verklebt ist. Das Schöne an der lamellaren Verbindung ist, dass sie von Natur aus durch ihre Geometrie stark ist. Das ineinander verschachtelte Material erzeugt eine riesige Oberfläche... die wiederum eine sehr hohe Haltekraft zwischen den dermalen und epidermalen Lamellen erzeugt.

Die Geometrie des Hufbeins ist wie ein Mini-Vollhuf. Hier gibt es keine Biegung oder Beugung unter Hebelkräften. Das Hufbein bewegt sich innerhalb der Hornkapsel auch nirgendwo hin. Im Gegenteil, es ist selbst eine Verstärkung der Hufwand und mit dieser extrem fest verbunden. Man bräuchte einen sehr langen Hebel, der nur auf die Zehenwand wirkt, um die Wand von den darunter liegenden Lamellen wegzureißen. Das Hornmaterial, das sich vor einem schnabelschuhartigen (Reha im Gange) Huf bildet, ist schwach. Es wird weder von den inneren noch von den äußeren Hufstrukturen gestützt und würde abbrechen, lange bevor die integrierte gebogene Wand, die den Huf hinunter wächst, Schaden nehmen würde.

Wenn das Pferd also mit Entenschnäbeln an den Füßen herumläuft und diese, als verhältnismäßig schwache Strukturen, nicht ohne weiteres abbrechen, können wir das Vorhandensein erheblicher Hebelkräfte ausschließen. (Die weit verbreitete Theorie besagt, dass diese Hebelkräfte so erheblich sind, dass sie die Lamellenverbindung bis zur Ablösung der Hufwand vom Hufbein überlasten und so ein festes gesundes Wandwachstum verhindern).

Nun, diese Schnäbel können und werden in einigen Fällen abbrechen. Aber der Punkt ist, dass das Horn eines solchen Schnabels im Vergleich zur Hauptkapsel des Hufes sehr schwach und ungestützt ist. Ich würde den Unterschied in der Stärke des Materials und der Konstruktion auf das Hundertfache schätzen, auch wenn ich nicht nachgerechnet habe. (Jemand, der schlauer ist als ich, könnte das sicher tun.)

Aber es wirken doch Hebelkräfte? Nun, nein. Der Huf steht unter einer gewissen Belastung, wenn er benutzt wird, aber das gehört so! Natürlich ist er belastet ... Die Frage sollte sein, welche Kräfte wirken wo? Diese Kraft, die den Schnabel abbricht, muss nur ein Bruchteil (ein winziger Bruchteil, ich kann nicht betonen, wie vergleichsweise winzig) der Kraft sein, die nötig wäre, um eine Hufwand von der Hufkapsel zu hebeln (selbst bei einem bereits geschädigten Lamellenkeil in diesem Huf). Das ist der Grund, warum das Horn dort bricht, wo es bricht (an der Zehe oder direkt über der Zehe, wobei es manchmal ein Stückchen Kapselhorn mitnimmt), aber nicht ein Loch in den Vorderfuß reißt. Noch nie hat sich ein Pferd beim Gehen oder Traben mit einer herausgewachsenen Rehe-Zehe eine ernsthafte Verletzung zugezogen! Und das, obwohl die Kraft, die nötig ist, um eine lange Zehe zu brechen, viel geringer ist als die, die nötig ist, um die Zehe aus der Hufkapsel zu hebeln.

Selbst in seinem geschwächten Zustand ist der Entenschnabel aus Horn ziemlich zäh und erfordert in den meisten Fällen den Einsatz von Werkzeug, um ihn abzubrechen... Es bedarf also einer erheblichen Kraft. Ich sage noch einmal, das ist das schwache Horn. Das Zeug, das unter der Belastung des Pferdes beim Gehen abbrechen kann und darf (meistens nur dort, wo der Fuß im Ungleichgewicht ist oder das Horn vorher durch Raspeln ausgedünnt wurde)... Das Material, das wirklich brechen kann, ist nur in der Lage, einen winzigen Bruchteil der Belastung eines Hufwandhorns aufzunehmen. Selbst wenn dieses durch vorheriges Trimmen und die Dehnung der weißen Linie etwas beeinträchtigt wurde.

Das war bis hier hin nur die physikalische Geometrie, ohne die Nerven im Huf zu berücksichtigen, von denen wir wissen, dass das Pferd sie hat - "schau mal, wie er auf dem Kies steht, das arme Ding" - woher weiß das Pferd, dass es auf Kies steht und jetzt humpelt? Es ist nicht, weil es knirscht! Es ist keine geräuschbedingte Lahmheit. Pferde fühlen ihre Hufe! Und wir würden uns auch nicht absichtlich die Fingernägel ausreißen, schon gar nicht wiederholt. Aber ein Pferd mit einem gut bearbeiteten ausbalancierten Huf, bei dem noch eine Pathologie (lange Zehe) herauswächst, humpelt nicht lahm herum. Und wir wissen, wenn ein Pferd Schmerzen hat, zeigt es das auch. Wo es keine Schmerzen gibt, wird auch nicht bei jedem Schritt ein Zeh abgehebelt.

Für Streber gibt es in diesem Papier einige nützliche Grafiken:

A Review of Biomechanical Gait Classification with Reference to Collected Trot, Passage and Piaffe in Dressage Horses
Hilary M. Clayton und Sarah Jane Hobbs

Sie zeigen die vertikale und die longitudinale Belastung des Fußes (gemessen mit Kraftmessplatten; in der Abhandlung wird erläutert, wie sie gemessen und abgeleitet wurden) während der Stützbeinphase (sobald der Huf den Boden verlässt, ist die Belastung natürlich gleich null).

Die vertikale Belastung erreicht ihren Höhepunkt in der Mitte der Stützbeinphase (was nicht überrascht) und nimmt dramatisch ab, bevor der Huf den Boden verlässt. Schauen Sie sich nun eine Zeitlupenaufnahme eines Pferdehufes im Gang an. Es gibt einen winzigen Moment, in dem die Hufspitze noch in Kontakt mit dem Boden bleibt, während der Huf abfußt (er rollt nicht ab, er ist weder rund noch ausreichend flexibel), aber dieser Moment liegt in der Grafik dort, wo man eine schnelle Entlastung des Beins erkennt.

Ich weiß nicht mehr, wie und wie oft ich noch sagen soll: "Das ist gesunder Menschenverstand, aber hier sind ein paar physikalische Beweise dafür"... Ich hoffe, das hilft?"

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