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Die Abenteuer des jungen Mo

Aug. 12, 2023
Mo im Trec-Wettkampf

Zur Awechslung beschreibt Bettina Klingmüller heute mal den "normalen" Werdegang eines jungen Gebrauchspferdes. Dabei handelt es sich um etwas, was man wirklich mit der Lupe suchen muss, denn die zwei haben einfach bei Null begonnen und sich vom ersten Moment an unbeirrt und zielstrebig in Richtung fröhliche, belastbare Pferd-Reiter-Dyade bewegt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, wie ich finde. Der Trick besteht darin, alles wegzulassen, was nicht in die richtige Richtung führt:


Murgi Mo kam mit 3 Jahren zu mir, weil ich in seinen Augen eine ordentliche Portion Lust auf Abenteuer leuchten sah. (Über seine frühen Jahre wurde in diesem Blog bereits berichtet: https://www.die-pferde-sind-nicht-das-problem.de/der-traum)

Das ließ mich glauben, dass er an meinem Sport Gefallen finden könnte. Mein Sport ist TREC (Techniques de randonnée équestre de compétition, was soviel heißt wie die Technik des Wanderreitens als Wettbewerb. 


TREC-Wettbewerbe sind kombinierte Prüfungen, in denen es um die Techniken im Orientierungsreiten geht. Die Reiter müssen sich mit Karte und Kompass im Gelände orientieren und mit ihren Pferden geländebezogene Aufgaben absolvieren. Wettbewerbe im Orientierungsreiten sind vor über 30 Jahren in Frankreich mit dem Ziel entstanden, professionelle Wanderreit-Führer auszubilden und zu qualifizieren. Daher kommt auch die die Abkürzung TREC aus dem Französischen: Techniques de Randonnée Equestre de Compétition.) 


Das macht man in der Regel nicht daheim, sondern da, wo man sich nicht auskennt. Idealerweise im Ausland. Man muss sowohl mit unterschiedlichsten Geländeformationen zurecht kommen, als auch mit allen Wetterlagen und Paddocknachbarn. Ein gutes Nervenkostüm und eine gehörige Portion Toleranz gegenüber Unvorhersehbarem und Unbekanntem helfen dabei enorm. 


Durch den Austausch mit Maren habe ich immer wieder neue Anregungen bekommen. Ein Begriff aus dem Biotensegrity Pioneers Kurs hat es mir besonders angetan: 


Antifragilitätstraining. 


„Antifragilität ist mehr als Resilienz oder Robustheit. Das Resiliente, das Widerstandsfähige widersteht Schocks und bleibt sich gleich; das Antifragile wird besser […]


Das Antifragile steht Zufälligkeit und Ungewissheit positiv gegenüber, und das beinhaltet auch – was entscheidend ist – die Vorliebe für eine bestimmte Art von Irrtümern. Antifragilität hat die einzigartige Eigenschaft, uns in die Lage zu versetzen, mit dem Unbekannten umzugehen, etwas anzupacken – und zwar erfolgreich –, ohne es zu verstehen.“ (Antifragilität, S. 21/22 Nassim Nicholas Taleb).


TREC ist für mich das Antifragilitätstraining schlechthin. Und eine gute Portion Antifragilität hilft bei so einem Abenteuer. Mir war von Anfang an wichtig, Antifragilität zu fördern. Das „Einreiten“ bzw. der Weg zum belastbaren Gebrauchspferd beinhaltete bei uns darum immer wieder den Umgang mit Unbekanntem. Dazu gehörten z.B. Ausflüge in fremdes Gelände, mit oder ohne Gesellschaft, der Umgang mit unterschiedlichen Untergründen von Sand über Lehm bis hin zu Wasser, das Übernachten an anderen Orten, das Auseinandersetzten mit neuen, unbekannten Situationen.


Wenn die Schafe um unsere Weiden zogen haben wir geübt, dass es möglich ist, sich trotzdem mit mir zu unterhalten und z.B. neben der wogenden Herde longiert, Schritt, Trab, Achten, Handwechsel und Schlangenlinien. Wir haben dabei, ganz nebenbei, auch mal ein paar Schafe verfolgt. Der Reitplatz war ein prima Ort um den Umgang mit Ablenkungen der unterschiedlichsten Art zu üben. Sei es die am Platz vorbei galoppierende Herde, ein bockendes Pferd im Roundpen oder eine Schar munter hüpfender Kinder mit fliegenden Rucksäcken. Mo hat gelernt dass Hänger fahren nicht zwangsläufig bedeutet, aus allem herausgerissen und sprichwörtlich in ein anderes Universum versetzt zu werden. Er hat vielmehr gelernt dass Zeltlager spannend sind, dass man neue Freunde findet und alte Freunde wieder trifft. (Das gilt nicht nur für die Pferde sondern auch für die Menschen.)


Letztes Wochenende waren Mo und ich in Luxemburg um an einem TREC Wettbewerb teil zu nehmen. Das mache ich immer wieder gerne, weil sich Grenzen verschieben wenn man sich Aufgaben stellt, die andere Erfinden. Mos dritter TREC. Nicht mit dem Ziel zu gewinnen sondern um neue Erfahrungen zu sammeln und souveräner zu werden im Umgang mit unbekannten Situationen und Aufgaben. Die Entwicklung seit dem letzten Mal im letzten Jahr war deutlich zu spüren. Er wusste worum es geht, lies sich deutlich weniger irritieren und fand immer souveräner Lösungen. Hat sehr interessiert zugeschaut als der Nachbar direkt neben ihm ein Zelt auf und abgebaut hat. Er hatte den einsehbaren Teil der Geländestrecke im Blick und beobachtet was die anderen Pferde da tun. Die Begegnungen mit fremden Pferden waren schon fast selbstverständlich. Anfängliche Ablehnung unserer vierbeinigen Begleitung hat er einfach ignoriert. Spätestens nach der Orientierung war die Stute, die uns begleitet hatte, ihm ergeben.


Und wie sehen die Aufgaben aus?


Der Orientierungsritt ist die erste wichtige Prüfung des Wochenendes. 20 Minuten haben die Reiter Zeit, die Strecke auf ihre Karte zu übertragen. In unserem Fall waren das 20 km. Das Pferd wartet solange angebunden vor dem Kartenraum. Dann gilt es den angegeben Weg genau zu finden und die vorgegebene Zeit möglichst genau einzuhalten.  Im Abstand von 5 Minuten gehen die Starter auf die Strecke. Manchmal reitet man weite Strecken alleine, dann treffen sich plötzlich mehrere Reiter in einem dicht bewachsenen Teil des Waldes auf der Suche nach dem richtigen Pfad. Wenn man den Weg verliert muss man sich anschliessend beeilen um die Zeitfehler in Grenzen zu halten. Im Wald haben wir viele Pferde getroffen, sind mit ihnen weiter gezogen, auch im flotten Trab, nebeneinander, hintereinander, vorne oder hinten, um uns am nächsten Posten kommentarlos von ihnen trennen. 


Die nächste Prüfung ist die Gangartenprüfung. Gefordert sind ein langsamer Galopp und ein schneller Schritt in einer 150 Meter langen Bahn. Mo gehörte zu den wenigen Pferden, die sowohl den Schritt als auch den Galopp auf einer unebenen Bahn mit Gefälle durchhalten konnten. Die Bahn ist rechts und links markiert und darf nicht verlassen werden. Mittendrin steht ein Baum, der nicht viel Raum zum Durchreiten lässt. Sie ist gesäumt von Richtern mit großen Schirmen und wehenden Mänteln. Der Untergrund ist uneben, nass und leicht ansteigend bzw. abfallend auf dem Rückweg. Bereits ein falscher Schritt oder das Verlassen der Bahn nullt die Prüfung.


Die Geländestrecke bildet den krönenden Abschluss. Je nach Klasse sind bis zu 16 Naturhindernisse und Geschicklichkeitsaufgaben zu überwinden bzw. zu bewältigen. Es gibt Steilhänge, einem Trail entlehnte Hindernisse wie Labyrinth, Rückwärtsrichten in einer Gasse, eine Gasse zum durch galoppieren, einen Slalom, ein Tor. Dazu kommen Sprünge über Hecken, Graben und Baumstämme, eine Brücke, ein Stillstand im Sattel und Aufsteigen. Und damit es nicht langweilig wird darf man eine vorgegebene Zeit nicht überschreiten. Die Würze liegt in der Anordnung und Kombination der Hindernisse. Mo hat sich dieses Mal deutlich mehr auf die Hindernisse konzentriert als auf die richtenden Menschen. Einen Graben wie hier, der von Baumstämmen begrenzt und dazwischen tief ausgehoben ist haben wir zuhause nicht, aber Mo meinte: „Lass mich mal machen, ich weiss wie das geht!“ 


Slalom, Brücke und Gasse hat er eindeutig als bekannte Aufgaben erkannt und sich nicht mit Flatterbändern, Fahnen oder einem Deko-Storch aufgehalten. Besonders gefreut hat uns am Ende, neben einem überraschenden 2. Platz, der Kommentar eines lang gedienten Richters „Wie lange hast Du den? Der ist gut!“


Fazit:


Unterm Strich würde ich sagen, der von uns eingeschlagene Weg zu einem belastbaren Reitpferd hat sich bewährt. Herausgekommen ist ein sehr souveränes 7 Jahre junges Pferd. Ich bin sehr zufrieden mit der gelegten Basis und freue mich schon auf weitere Abenteuer.



Vielleicht sollte ich zum guten Schluss noch anmerken, dass Bettina in ihrem langen Reiterleben mit ihren vorherigen Pferden bereits vieles ausprobiert hatte, bevor wir uns zum ersten Mal trafen und dass dann später die Entscheidung für den einzuschlagenden Weg mit Mo eine sehr bewusste war. Die zwei haben keine Zeit mit herumeiern zwischen Reitweisen, Meinungen und Methoden mehr verschwendet. 


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Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

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