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Der Traum 3.0

Katharina Bader • Nov. 02, 2024
Carlo

Carlo hat es geschafft, jetzt kann das Abenteuer beginnen. Hier ist  Katharinas Bericht für euch, über  ihren ziemlich dramatischen Weg mit :


"Mit Carlo habe ich mir 2020 den Traum des ersten eigenen Pferdes erfüllt. Er ist ein mittlerweile 16-jähriger Hannoveraner Wallach, der sein Leben, einer Olympia-Gold-dekorierten Vielseitigkeitslinie entstammend, in einem großen Zuchtbetrieb begann. Nach diversen gescheiterten sportlichen Karrieren kam er über Umwege zu mir. 


Aus meinem Plan, mit ihm sportlich-ambitioniert in den Englischen Disziplinen meine Freizeit zu verbringen, wurde leider zunächst  nichts. Meine Rolle in unserer Partnerschaft war hauptsächlich die der Therapeutin, denn Carlo war immer wieder lahm und baute zusehends ab. Die Lahmheit war unklar, wechselte tageweise die Beine und verschwand dann auch wieder ohne feststellbare Ursache. Wenigstens den körperlichen Verfall konnte ich mir nach einiger Zeit erklären, als ich Carlo eines Tages beim Dösen im Offenstall zusammenbrechen sah. Darauf folgte die Diagnose REM-Schlafmangel (früher bekannt als Pseudo-Narkolepsie).


Diverse Stallwechsel und Haltungsmanagementoptimierungsmaßnahmen waren  ebenso wirkungs- und ergebnislos, wie mehrere tausend Euro Tierarztkosten inklusive eines ganzen Anatomieatlasses an unterschiedlichster bildgebender Diagnostik sowie ein professioneller Reha- und Tierklinikaufenthalt. Also musste es wohl an meinen Fähigkeiten liegen und an der Reitweise. 


Nach unseren Anfängen im FN-Ausbildungssystem tingelte ich von Horsemanship zu klassisch-barocker Reiterei und nachdem ich immer noch mehr zu Fuß als im Sattel unterwegs war, ging es weiter zum Einarbeiten in Physiotherapie, Osteopathie und „Faszientraining“. Parallel hatte ich eine Halswirbel- und Neurologie-Spezialistin ausfindig gemacht, die ECVM und Facettengelenksarthrose bei Carlo diagnostizierte. Zwar nur in „milder“ Ausprägung (Lamina an C6 fehlt rechtsseitig, keine Transposition an C7 und die Rippen vollständig ausgebildet) aber mit deutlichen neurologischen Ausfallerscheinungen. 


Mit den neuen Diagnosen im Gepäck verbrachte ich immer mehr Zeit mit Literaturrecherche zu ECVM- und Halswirbelsäulenerkrankungen und deren Symptomen sowie neuer Therapie- und Trainingsmethoden. Außerdem verfolgte ich stundenlang Content auf Social Media, bis ich Ende 2023 kurz vor dem Pferdeburnout Marens Podcast-Folge mit Saskia Brieger „Was geht mit ECVM“ hörte, wobei mir wortwörtlich die Kinnlade runterklappte. Das hörte sich 1:1 nach Carlos und meiner „Karriere“ an.


Etwas später ging Carlo ins CT und neben der bestehenden ECVM-Diagnose wurde ein Chip an C3 gefunden, welcher im weiteren Verlauf als potentielle Ursache für die Schlafstörung identifiziert werden konnte. Eine operative Entfernung des Chips wurde als möglich, aber hochriskant eingestuft – geschätzte Erfolgschance bei nur 50% (und nicht-Erfolg gleichzusetzen mit Tod). Weiterhin kam die Einschätzung, dass das Bindegewebe im Foramen bei C6 linksseitig (also auf der „normal“ ausgeprägten Seite des Wirbels) außergewöhnlich dicht sei und vermutlich die Lahmheiten verursacht.


Nach reichlicher Bedenkzeit entschied ich, nochmal Geld in die Hand zu nehmen und an Marens ECVM Kurs teilzunehmen, als letzte Chance vor der riskanten OP – vielleicht konnte das richtige Training Carlo retten. Ich ging mit recht niedrigen Erwartungen in den Kurs. Mein Ziel war herauszufinden, ob ein Training Carlo zumindest etwas stabilisieren und einen Teil der Schmerzen nehmen konnte. Nach der der ersten Session war ich positiv überrascht, wie einfach und gut verständlich die Inhalte präsentiert wurden. Besonders gut hat mir das  Kursformat mit Live-Calls und Arbeitsbuch gefallen. Man kann allerhand Fragen stellen, bekommt zeitnah Antworten und kann die Themen der anderen mitverfolgen.


Die Trainingsmethode hält, was sie verspricht – nach kurzer Zeit wurde Carlo so fit, dass ich am Boden nicht mehr hinterherkam und ich Reiten „musste“. Carlo hatte zunehmend mehr Lust auf Bewegung und ich war von den Nebeneffekten, die wie von selbst kamen, beeindruckt. Lange Zeit hatte ich erfolglos versucht, Carlo das Gebiss und die Anlehnung „schmackhaft“ zu machen. Das Gebiss im Maul veranlasste hektisches Stresskauen und kleinste Zügeleinwirkung führte zu Einrollen seinerseits. Nach nur wenigen Wochen im ECVM Kurs war dies behoben und Carlo zieht mittlerweile willig an die Hand.


Ein weiterer Erfolg ist Carlos neue Gelassenheit. Im Gelände, wo es allerhand todbringende Gartenhütten, Pfützen oder - die Endgegner - liegende Baumstämme gibt, war er extrem schreckhaft. Dies besserte sich deutlich während des Kurses und mittlerweile stapft er fröhlich durch Pfützen und sieht die „gefährlichen“ Gegenstände scheinbar gar nicht mehr.


Die größte Herausforderung bei all dem war, mich durchzusetzen. Durch das jahrelange Zweifeln an meinen Fähigkeiten und gewählten Methoden fiel es mir anfangs schwer, Carlo glaubhaft zu versichern, dass ich weiß, was ich tue und meine Ideen ungefährlich sind. Durch das hervorragende Coaching von Maren und Saskia habe ich diese Hürde genommen und gelernt, mit Carlo auf Augenhöhe zu diskutieren – ich „höre“ mir seine Bedenken an, er vertraut mir aber auch, wenn ich eine Entscheidung treffe und ihm sage „wir gehen nun diesen Weg“. Am Anfang wollte er beim Reiten nämlich immer den kürzesten Weg zurück zum Stall wählen.


Tatsächlich haben sich seine Schmerzsymptome reduziert und es trat in der Zeit des Trainings auch keine Lahmheit mehr auf. Die Schlafstörung hatte sich leider nicht behoben, weshalb ich mich für die Operationen entschieden habe. Aber auch hier gibt es Mutmachendes zu berichten: in der klinischen Untersuchung war Carlos Hals und Gangbild so unauffällig, dass die geplante Foramenstenose-OP abgesagt wurde und nur die Chip-Entfernung durchgeführt wurde. Diesen Erfolg schreibe ich voll und ganz dem Kurs und Training zu!


Carlo hat die Operation gut überstanden und ist nun seit zwei Wochen wieder zuhause. Mit medikamentöser Unterstützung ist die Schlafstörung aktuell im Griff und wir trainieren wieder ganz fleißig. Der ECVM Kurs hat mir einen pragmatischen, wirkungsvollen und vor allem einfach umzusetzenden Weg gezeigt, wie ich mein Pferd stabil, gesund und glücklich machen kann. Carlo scheint das Training riesigen Spaß zu machen, er steckt den Kopf freiwillig in die Trense, zieht kraftvoll los wenn wir rausgehen und auch ich habe meine Freude in der Zeit beim Pferd und der gemeinsamen Bewegung wieder gefunden. Vielen Dank Maren und Saskia dafür!"


Viele Grüße

Katharina


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Wo liegt eigentlich euer Fokus, wenn ihr mit eurem Pferd zusammen seid oder mit einem Klientenpferd? Wie sieht euer Weg mit diesem Pferd aus? 

Habt ihr ein Bild davon, wie euer Pferd oder dieses Klientenpferd als starkes, gesundes und belastbares Pferd aussehen würde? Habt ihr eine Vorstellung von den Potenzialen eures Pferdes? Wisst ihr, was es leisten könnte und wollte? 

Ein sehr großer Teil der Pferde, die ich sehe, ist dauerhaft in Behandlung oder Reha, kaum belastbar, und es haben sich ganze Ausbildungssysteme für kleinschrittige Bewegungsoptimierung entwickelt. Diese werden inzwischen leider auch auf die Ausbildung junger Pferde angewandt, die als erstes lernen müssen, so zu laufen wie das kaputte Rehapferd, das keinen Schritt neben der Spur machen darf. 

Ein kleiner Teil der Reiter und Pferde hat das Zeug für den großen Sport, wobei die meisten dieser Pferde ihr Niveau nur durch intensive Betreuung und Behandlung eine Zeit lang halten können. Das sind also nicht zwangsläufig die belastbarsten Pferde, sondern eher die besttherapierten. 

Bei den ehrgeizigen Reiter*innen kommt es darauf an, korrekte Hilfen zu geben, die vom Pferd ebenso korrekt befolgt werden müsse. Die Ausbildungsskala beginnt mit Seitengängen und der hohen Schule... Die meisten von ihnen bleiben irgendwann stecken, es geht nicht weiter, der Gaul will nicht mehr und wird krank. Womit diese Gruppe eine große Schnittmenge mit den anderen beiden Gruppen aufweist. 

Es gibt sicher noch viele weitere Gruppen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie diese Schnittmengen mit den oben genannten haben. 

Eine sehr eigene Gruppe mit wenigen Schnittmengen ist die der gesunden und belastbaren Pferde. Anstatt nun weiter die Abstrusitäten zu betrachten, schauen wir doch einfach mal, wodurch sich diese Gruppe auszeichnet: 

Diese Pferde bewegen sich viel im Gelände, auf unterschiedlichen Untergründen und können sich in allen Gangarten bergauf und bergab bewegen. Sie stolpern selten, haben eine gute und unempfindlich Sattellage und tragen ihre Reiter*innen sicher. Sie sind in der Lage, Geländehindernisse wie Gräben und Baumstämme, Bäche und Hänge zu überwinden. Notfalls kommen sie auch auf dem Reitplatz klar... 

Diese Pferde sind ausdauernd, belastbar, meistens recht zuverlässig, unternehmungsfreudig und vor allem selten krank. Sie sind irgendwie normal. 

Es ist ein Trugschluss, dass die Pferde das können, weil sie gesund sind. Sie sind gesund, weil sie das können und weil sie ihren eigenen Aufgabenbereich haben. 

Es gibt einen gangbaren Weg dorthin.

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